„So. Jetzt. All in.“

Ich sitze zusammen mit Lara Kinzel, wir trinken ein Mount-Hagen-Käffchen (einen Peru-Espresso mit viel Milch) und sprechen über ihr kleines, feines Unternehmen LOVE:40. Hier entstehen aus gebrauchten Sichtschutzblenden und anderen Materialien von Tenniscourts sehr schöne Taschen und Accessoires.

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Barbara Beiertz

foto: Elsemieke Masser

Wenn Material Geschichten erzählt.

BK: Lara, ich weiß, dass du für High-Class-Marken Taschen designt hast. Bist du jetzt mit LOVE:40 auf der Upcycling-Schiene?

LK: Ja, genau. Ich habe früher für eine Firma bei Frankfurt gearbeitet und Taschen und Accessoires für Escada, Stella McCartney, Gucci und andere Marken entworfen. In der Zeit ist die Idee für LOVE:40 entstanden. Ich fand es unheimlich spannend, Taschen zu entwickeln, weil das ein aufregendes Produkt ist. Der Prozess ist herausfordernd. Irgendwann bin ich aber an den Punkt gekommen: Warum immer für andere designen?

Klar, wenn es ums Design geht, wird die letzte Entscheidung immer beim Kunden liegen. Daraus kann man viel lernen, das macht auch Spaß. Aber dann kam dieser Moment, an dem ich dachte: Jetzt möchte ich gerne mal entscheiden, ob blau oder grün.

B: Aber wie kam Upcycling als Konzept da hinein? Was war der Auslöser?

L: LOVE:40 ist tatsächlich überhaupt nicht aus der Upcycling-Idee geboren worden. 2015, als die Idee entstanden ist, hat keiner von Upcycling gesprochen. Das Wort war nicht so geläufig, wie es heute der Fall ist. Es ist eher daraus entstanden, dass ich Materialien, die eine Geschichte erzählen, wahnsinnig spannend finde.

Wenn ein Material neu ist, dann sieht jede Tasche gleich aus. Aber wenn ich mit einem alten Material arbeite, dann kann es sein, dass die eine Seite ausgeblichen, die andere Seite vielleicht vom Wasser ein bisschen trüb geworden ist. Es kann mal ein Riss drin oder ein Druck auf dem Material sein, es kann ein Knick drin sein. Sprich: Das Material erzählt eine Geschichte. Und das war das zentrale Thema, was mich interessiert hat. Ich finde es so cool, mit etwas zu arbeiten, was einfach nicht neu ist.

B: Ungewöhnlich genug, weil die meisten Designer ja sagen würden: Ich will ein „unbeschriebenes Blatt“ haben.

L: Ja, es ist besonders, aber in dem Moment nehme ich ja quasi eine Geschichte schon mit in mein Produkt. Zum Beispiel: Die älteste Plane bei uns in der Kollektion ist 22 Jahre alt. Wenn man sich mal überlegt, was die alles erlebt hat in der Zeit…

B: Und sprechen könnte…

L: Genau. Das wäre wahnsinnig aufregend, was es da zu erzählen gäbe. Es gibt auch Kunden, die diesen Aspekt total lieben an den Produkten und sagen: „Erzähl mir bitte sofort, wo die Plane herkommt! Was ist der Hintergrund? Was wisst ihr über das Material?“

Wo immer es geht, versuchen wir, die Produkte zuzuordnen und zum Beispiel zu sagen: Hier haben wir ein Material vom Davis Cup in Düsseldorf, das Schwarze da war mal vom Turnier in Hamburg. Und so hat jedes Produkt seine eigene Story.

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Mal kucken, was passiert.

B: Wie kamst du denn auf die Idee, das mit Tennisnetzen, Planen und dem ganzen Gedöns zu machen?

L: Ich spiele seit meiner Kindheit Tennis und habe schon viele Jahre meines Lebens auf Tennisplätzen verbracht – damals bei Turnieren, mit all den Wartezeiten bei den Matches und so weiter. Mich hat schon immer interessiert, was da alles so drum herum ist. Das war für mich also gar nicht so abwegig, auf ein Material zu gehen, was von diesen Plätzen stammt.

Die spannende Frage war dann natürlich erst mal, ob sich diese Wind- und Sichtschutzblenden (so heißen sie offiziell) überhaupt verarbeiten, nähen lassen. Das war ja total unklar. Die ersten zwei Blenden hatte uns der Klipper THC Hamburg damals gegeben. Die ersten Muster, das waren zehn Umhängetaschen, die genäht wurden, zehn Kosmetiktaschen und zehn Schlüsselbänder. Ich war gar nicht sicher: Klappt das mit einer Industriemaschine? Ist das Material so, dass Leute es anfassen mögen, oder hat es eine unangenehme Haptik? Und wie verhält es sich überhaupt? Das war ja ein unbeschriebenes Blatt zu dem Zeitpunkt.

Heute kann ich sagen: Es ist ein cooles Material. Es ist leicht, robust, hat kein Problem mit Wasser – also fantastisch für Taschen und Accessoires. Ich komme aus dem Produktdesign und habe in diesem Bereich bei Unternehmen gearbeitet. Nicht immer Taschen, ich habe auch vorher schon Modeschmuck und auch viele Jahre Brillen gemacht, bin aber immer im Accessoire-Bereich geblieben.

B: Und jetzt machst du seit 2015 LOVE:40?

L: Damals habe ich noch in meinem alten Job gearbeitet und bin lange Zeit zwischen Hamburg und Frankfurt gependelt. Da ist die Idee entstanden. Fern davon, dass das mal eine Firma wird – es war eine Idee. Und irgendwie cool: Lass es uns probieren, mal gucken, was passiert.

Vielleicht war dann ein wesentlicher Punkt, dass das Tennismagazin einen ganz kleinen Artikel über uns gebracht hat. Ich hatte denen ein Foto geschickt, so nach dem Motto: Guckt mal, das haben wir gemacht. Wie findet ihr die Produkte? Daraufhin haben sich tatsächlich Menschen gemeldet und gefragt, ob sie das kaufen können. Es gab keinen Onlineshop zu dem Zeitpunkt, es waren E-Mail-Anfragen. Auf jeden Fall war schon mal klar, dass die Idee ja scheinbar nicht alle doof finden.

Und dann ist es so ganz langsam und nebenbei immer ein bisschen weitergewachsen. Aber wie gesagt, das war überhaupt noch nicht mein Job in dem Moment. Ich bin dann auch erst mal Mutter geworden und hatte andere Prioritäten.

Die Story hinter Upcycling.

2018 waren wir dann auf einer Veranstaltung in Nürnberg. Das war ein Turnier, bei dem die Turnierleitung uns die Chance gab, mit 3 Start-ups einen kleinen Stand über die Woche zu haben und die Produkte zu präsentieren. Ich weiß noch, ich war damals wahnsinnig aufgeregt und bin mit 2 Ikea-Taschen voller Ware hingefahren.

Man kann sich vorstellen, dass sich das alles vorne und hinten nicht gerechnet hat, weil natürlich allein die Übernachtungskosten die Einnahmen, die man aus 2 Ikea-Taschen heraus verkaufen kann, längst gesprengt haben Aber: Das Feedback war gut. Und – es war 2018 – auch spannend: Wir haben das Wort Upcycling damals ganz, ganz oft erklären müssen. „Upcycling? Was ist das denn?“ Das war überhaupt nicht geläufig. Wir haben dann die ganze Geschichte erzählt: Wir arbeiten mit alten Materialien, wir verarbeiten die in Handarbeit in Hamburg, alles lokal.

Damals war natürlich auch der Preis ein großes Thema. Unsere Kosmetiktasche hat zu dem Zeitpunkt 39 Euro gekostet. Die Reaktion war dann oft: „Wie? Ich kann eine Kosmetiktasche für 10 Euro kaufen. Warum kostet eure 39 Euro?“ Da war es dann wirklich nötig, erst mal den ganzen Herstellungsprozess aufzudröseln: Wir holen das Material von einem Verein. Wir müssen es erst zuschneiden, waschen, einlagern. Dann geht es irgendwann in die Schneiderei und wird in Hamburg in Handarbeit verarbeitet. „Ah ja, kann man nachvollziehen“, hieß es dann. Aber es war total erklärungsbedürftig zum damaligen Zeitpunkt.

Dann kam die Corona-Zeit, in der sich viel verändert hat. Upcycling – fast jeder weiß heute sofort, was damit gemeint ist. Lokale Produktion ist inzwischen auch visibler und man weiß, dass Deutschland bzw. Hamburg höhere Produktionskosten mit sich bringt, als wenn am anderen Ende der Welt produziert wird. Und so ist es mit den Jahren einfacher geworden, weil das Verständnis für den Prozess, der dahintersteckt, in den Köpfen gewachsen ist.

B: Und wann bist du offiziell gesprungen und hast bei deinem alten Arbeitgeber gekündigt?

L: Ich habe das lange rausgezögert und noch einige Zeit in Teilzeit gearbeitet. Irgendwann war es dann klar: Das funktioniert einfach vorne und hinten nicht mit Kind – Teilzeit und LOVE:40. Da hätte ich irgendwas einstellen müssen, vielleicht das Schlafen (sie lacht). Das war mir dann doch zu viel. Ich habe mir gesagt: „Okay, dann jetzt das Risiko.“ Man muss einfach mal gucken, wie es ist.

B: Und wie ist es?

L: Total geil, weil man sich dann einfach fokussieren kann.

B: Würdest du es noch mal anders machen?

L: Nein! Aber das ist eine spannende Frage. Ich glaube, in dem Moment, wenn mir jemand die Antwort von heute gegeben hätte, wäre es total perfekt gewesen. Vorher war ich immer im Anstellungsverhältnis und wusste das natürlich als Mutter sehr zu schätzen, was Sicherheiten etc. betrifft. Aber dann muss man auf einmal andere Werte dagegenstellen: Selbstverwirklichung, Freiheit, all diese Aspekte laufen dagegen. Und ja, es war nicht mein Wunsch, einmal im Quartal die Steuer abzugeben, aber da mache ich jetzt auch mit Freude mit (sie schmunzelt).

B: Eine indiskrete Frage: Kannst du davon leben?

L: Ja, inzwischen ist es ganz gut. Aber wenn ich diesen Job bei einem Unternehmen machen würde, würde ich wahrscheinlich besser davon leben.

B: Also du hast das Kind, deinen Laden, den Onlineshop. Du musst das Design entwickeln, fürs Material sorgen, vielleicht auch mit deiner Schneiderin, deinem Schneider sprechen. Du musst neue Ideen entwickeln. Wie sieht ein ganz normaler Tag bei dir aus?

L: „Ganz normale“ Tage gibt es ehrlich gesagt nicht. Es gibt gewisse Dinge, die sich stetig wiederholen. Dass ich meinen Sohn zum Beispiel zur Schule bringe. Klar gibt es auch so Zeiten wie in jedem anderen Job, wo man sagt: Jetzt kümmere ich mich um mein E-Mail-Postfach, jetzt kümmere ich mich um diese oder jene Sachen.

Sehr schön ist, dass ich Leute habe, mit denen ich einfach zusammengewachsen bin. Vieles ist nicht mehr sehr zeitintensiv. Man versteht sich, vieles klappt einfach über schnellen Zuruf. Es gibt Leute, die mich auch echt entlasten, und das ist super. Es gab und gibt Phasen, gerade wenn Sachen in der Umstellung sind, da ist es manchmal ein bisschen viel. Aber wenn man dann wieder ein bisschen Stetigkeit drin hat, geht es eigentlich.

B: Das Die-Stetigkeit-Reinbekommen ist das Schwierigste überhaupt, oder?

L: Ja, ich habe immer das Gefühl, es sind Treppenstufen – und man muss immer wieder auf die nächste Stufe hochkommen. Da ist ein bisschen Kontinuität und dann kommt wieder die nächste Stufe.

B: Bist du eine große Kaffeetrinkerin?

L: Drei Kaffees am Tag. Zwei vormittags, einer nachmittags.

B: Echt jetzt? So konsequent?

L: Ja, mehr ist nicht gut und weniger geht auch nicht.

B: Also ehrlich gestanden ist das jetzt mein zweiter. Und es werden noch weitere zwei folgen. – Wie findet dein Sohn das alles? Er ist jetzt sechs oder sieben, richtig?

L: Sieben. Er ist damit einfach groß geworden. Das ist für ihn ganz selbstverständlich. Ich finde es auch schön, wie er über Materialien nachdenkt. Das ist für ihn ein ganz normaler Prozess, dass man Sachen wiederverwendet, dass sie nicht einfach weggeschmissen werden, dass man mit guten Ideen was draus machen kann. Er setzt das auch in anderen Bereichen um, dieses Prinzip, was mich total freut, weil du merkst, er wächst damit auf.

B: Vorbild hilft? Oder was denkst du?

L: Ich weiß nicht, ob ich es Vorbild nennen würde, aber irgendwie kriegt er es mit.

B: Du lebst es vor, sagen wir es so. Wir fragen uns natürlich immer wieder, wie man Menschen dazu motiviert, darüber nachzudenken und vielleicht zumindest mal die Perspektive zu wechseln. Was ich immer wieder festgestellt habe: Wenn man es vorlebt, dann wird jemand zumindest mal nachdenklich. So wie du dein Produkt erklärt hast: Kuck mal bitte, was dahintersteckt.

Nimm z. B. unseren Kaffee: Ein Kilo kostet etwa 22 Euro. Aber das heißt: keine Pestizide, keine chemischen Dünger, die das Leben sehr einfach machen, keine maschinelle Bearbeitung, die das Leben sehr einfach macht, keine Monokulturen, also viel Handarbeit. Dieser Kaffee wird tatsächlich von Hand gepflückt, von Hand verlesen. Das klingt immer so seltsam, aber es ist so.

L: Ich glaube, wenn man weiß, was dahintersteckt, verändert das den Blick komplett. Ich habe auch die Rechnung zum Kaffeepreis von euch gesehen und dachte: Ja klar, wenn man anfängt, so drüber nachzudenken, vollkommen logisch. Und legitim. Aber wie oft macht man das, wenn man im Supermarkt steht? Definitiv zu selten.

Win-win.

B: Weißt du, was normalerweise mit diesen grünen, blauen, gelben Wind- und Sichtschutzblenden, die ihr benutzt, passieren würde, wenn du sie nicht weiterverarbeitest?

L: Das ist Gewerbemüll, der entsorgt wird. Die Entsorgung ist sogar kostenpflichtig.

B: Heißt das, das Ganze wird verbrannt?

L: Ich vermute, ja.

B: Wow… Und das ist ja nicht wenig, oder?

L: Nein, das ist sogar sehr viel. Hier sieht man jetzt immer einzelne „Portionen“ des Materials. Der Normalzustand ist: Das sind Berge. Wenn sich eine Anlage meldet oder auch ein Turnier, wird schon geguckt, dass vieles wiederverwendet wird. Aber wenn das Material bedruckt ist oder mit Kabelbindern befestigt wurde, funktioniert das natürlich nicht. Ein interessanter Fall ist auch ein Sponsorenwechsel. Du wirst es nie schaffen, alles wiederzuverwenden.

Das eine ist das Turnier. Da sind es Berge, vor denen wir manchmal stehen. Und dann musst du wirklich durchselektieren und sagen, was man jetzt mitnimmt und was man noch einlagern kann. Das andere ist der Club: Der hat zwölf Tennisplätze. An jedem Platz hängen zwei Blenden als Wind- und Sichtschutz und Werbefläche. Eine davon hat 24 Quadratmeter – im Format 12 mal 2 Meter. Das ist die Standardblende. Manche haben auch Übergröße. Wir haben also 24 Blenden à 24 Quadratmeter, das sind 576 Quadratmeter Blendenmaterial auf dieser einen Anlage – und dann wechselt „überraschend“ der Hauptsponsor…

B: Oha, was passiert dann?

L: Es geht alles runter – die komplette Garnitur der Anlage. Der Sponsor wird da nicht hängen bleiben. Dann kommen wir und stehen vor einem Berg, der deutlich höher ist als ich es bin.

B: Der ansonsten einfach entsorgt würde… Weil der Sponsor wechselt. Und du sagst, als Gewerbemüll wäre es sehr teuer. Also sind die Vereine und Turnierveranstalter natürlich froh, wenn du ihnen das abnimmst.

L: Ja. Aber viele haben inzwischen auch die Einstellung, dass es cool ist, wenn daraus nochmal was entstehen kann. Dadurch sind ja unsere Partnerschaften entstanden, zum Beispiel mit dem Deutschen Tennisbund: Wir übernehmen sehr viel Material vom DTB, verarbeiten es weiter – und dann geht es teilweise als Produkt an den DTB zurück.

So kann man dann wieder die Geschichte erzählen, was aus den Sachen geworden ist, die damals ausrangiert wurden. Es ist wirklich schön, dass sowohl Vereine, Verbände und Turniere als auch Unternehmen inzwischen direkt mit Infos und Anfragen zu Material auf uns zukommen, wenn sie etwas zu entsorgen haben. Das klappt inzwischen hervorragend. Anfangs war das nicht immer so, es bedeutete schon viel Klinkenputzen, aber jetzt haben wir den Punkt erreicht, an dem sich unsere Mission „Save the Tennis Planet“ rumgesprochen hat.

B: Gibt es andere Sportarten, bei denen das auch funktionieren würde?

L: Das Prinzip Upcycling funktioniert für jede Sportart. Jeder Sport hat Material, das immer wieder produziert wird. Das können z. B. Fahnen oder Logowände etc. sein. Wir können alles an Material auch wiederverarbeiten. Aber der Fokus von LOVE:40 ist der Tennis-Sport.

B: Was ich so genial finde: Das ist eine klassische Win-Win-Situation. Der Verein, der Verband, hat ein Problem, das Zeug loszuwerden. Du machst was aus dem Problem und addierst einen Mehrwert, der hintenrum natürlich wieder hochinteressant ist für eine Marke, für ein Turnier.

L: Ja klar. Das haben wir dieses Jahr für Porsche gemacht. Porsche hatte im letzten Jahr ganz tolle Motive von den Spielerinnen in unterschiedlichsten Turnierbereichen aufgehängt. Nach dem Turnier ist das Material komplett an uns gegangen. Wir haben dann Schläger-Taschen daraus gemacht. Von außen haben wir verschiedenste Blendenfarben genommen. Und innen haben wir die ganzen Porsche-Materialien mit den Motiven eingenäht – mal Spielerinnen-Gesichter, mal ein Siegerpokal, die unterschiedlichsten Ausschnitte. Eine Limited-Serie, die es nur dieses Jahr gab, 2025, 25 Stück – ganz exklusiv. Und die wurden dann von Porsche beim diesjährigen Turnier verkauft.

B: Markentechnisch gesehen eine sehr coole Nummer. Du kannst auf einer Ebene kommunizieren, auf der die anderen nicht sind. Es ist ja schon fast Guerrilla-artig, wie man damit agieren kann, ohne einen riesigen Aufwand zu produzieren.

Kreativität. Frust. Motivation

B: Woher nimmst du deine Ideen?

L: Das kann ich gar nicht sagen, woher. Die sind irgendwie da. Manchmal auch nicht, aber das ist echt selten – zum Glück. Und das ist ja der Part, den ich am liebsten mache. Die Steuererklärung gehört nicht dazu, aber dieser Part ja.

B: Was machst du, wenn du eine Blockade hast?

L: Am besten ist es, ein bisschen Abstand zu nehmen. Wenn ich keine Meinung zu einer Sache habe, dann geht es auch nicht weiter. Dann mache ich Sport, etwas komplett anderes, lasse die Sache liegen. Das ist ja das Schöne, wenn man viel Arbeit hat, holt man sich irgendwas anderes ran. Ich bin ja auch viel mit meinem Sohn unterwegs, das lenkt auch immer ab. Ich glaube, das ist in jedem Kreativberuf normal. Wir sind ja alle keine Maschinen, die andauernd irgendwas ausspucken können.

B: Das wäre auch echt schade, wenn es so würde – Stichwort KI. Mein großes Thema gerade ist Zuversicht. Anfang des Jahres saß ich da und dachte, ich kann es nicht mehr hören mit all den Krisen. Ich will es auch nicht mehr hören. Ging dir das auch so?

L: Ich hatte diese Phase auch irgendwann. Ich dachte, vielleicht muss man den Medienkonsum einstellen, um das nicht mehr mitzukriegen. Ich glaube, wenn man Dinge nicht verändern kann, ist das zwar frustrierend, aber dann muss man sich davon distanzieren. Und das, was man tun kann, in dem Bereich leben. Ich habe wahnsinnige Freude bei der Arbeit, wenn ich sehe, dass neue Produkte entstehen. Wenn wir coole Muster hinkriegen. Wenn so eine Tasche in der Umsetzung funktioniert, das ist irre. Das motiviert mich so sehr. Vielleicht muss man sich mehr darauf fokussieren als auf die ganzen Themen, die wir nicht oder nur begrenzt beeinflussen können.

B: Durch deine Arbeit nimmst du ja trotz alledem Einfluss.

L: In einem Bereich, ja. Aber ich glaube auch, dieses Drüber-Reden und Die-Geschichte-Weitererzählen ist auch etwas, das mitgenommen wird – und wieder Effekte haben kann. Und so weiter.

B: Wie sehen das die Unternehmen, mit denen du zusammenarbeitest?

L: Bei den Unternehmen, mit denen ich zusammenarbeite, gibt es einen sehr respektvollen Umgang mit dem Thema. Sie haben ein Bewusstsein dafür, sie sehen die Notwendigkeit. Wir können nicht alle jeden Tag den Planeten retten, aber wir machen eben in Bereichen etwas, bei denen man Einfluss nehmen kann. In der Anfangszeit war es so, dass der eine oder andere schon mal drüber geschmunzelt hat: „Ach, die nette Frau Kinzel, die hat da eine schöne Idee gehabt.“ Aber das hat sich inzwischen verändert.

B: Woran lag das?

L: Ich glaube, da kommen mehrere Sachen zusammen: Die Gesellschaft hat sich natürlich verändert. Und ich bin mit den Jahren wahrscheinlich auch souveräner geworden. Heute ist es einfacher. Wir machen ja nicht nur etwas Nachhaltiges. Klar ist LOVE:40 nachhaltig, aber das, was dahintersteht, das soll sexy, das soll schön sein. Das ist unser Fokus – zu zeigen: Hey, man kann Dinge wirklich in etwas richtig Schönes verwandeln. Wie diese Schlägertaschen zum Beispiel. Dann funktioniert es.

Jetzt. All in!

B: Meine allerletzte Frage, die ich allen meinen „Käffchen-mit“-Trinkern stelle: Was war dein bester Fehler?

L: Den haben wir vorhin schon angerissen: Das war der Punkt, bevor ich mich entschieden habe, zu springen. Ich habe wirklich lange an diesem Kombimodell festgehalten, noch Teilzeit zu arbeiten. Es war eine Überwindung, diesen Schritt zu gehen. Aber es war total gut.

B: Warum Überwindung?

L: Wahrscheinlich ist es dieses Gegeneinanderstellen der Werte. Wir haben ja vorhin darüber gesprochen. Das war ein Prozess, und vermutlich spielte auch das Ungewisse mit rein. Der Prozess hat seine Zeit gebraucht, bis ich so weit war, zu sagen: „So. Jetzt. All in.“

Aus der heutigen Perspektive würde ich sagen: Klar muss man so was früher entscheiden. Aber einfach zu wissen, wofür man es macht, war dann eben doch kein Fehler. Insofern das Beste, was ich machen konnte.

Kleiner Nachtrag:
Während wir noch ein bisschen weiter unseren Kaffee tranken, erzählte mir Lara, dass LOVE:40 dieses Jahr zum zweiten Mal für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis nominiert worden ist.* Anfang Dezember ist es so weit, dann werden die Gewinner bekanntgegeben. Wir drücken natürlich die Daumen – ganz fest.

*www.nachhaltigkeitspreis.de/wettbewerbe/produkte